Während aktuell uns der Herbst noch mit warmen Temperaturen und goldenen Farben Freude bereitet, ist es nachts bereits ziemlich kalt und der Winter naht. Zum 1. November 2021 startet daher wieder das Winternotprogramm, kurz WNP. Damit bietet die Sozialbehörde Obdachlosen einen Schlafplatz für die Nacht. Dies erfolgt im Rahmen der Gefahrenabwehr als Erfrierungsschutz. Das hilft vor allem Obdachlosen, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben und für die die öffentlich rechtliche Unterkunft zu hochschwellig ist.. Diese Form des WNP gibt es in Hamburg seit 1992, weil im vorhergehenden Winter mehrere Menschen auf Hamburgs Straßen erfroren waren. Schon lange ist es auch Teil des WNP, nicht nur den bloßen Erfrierungsschutz anzubieten, sondern die Gelegenheit zu nutzen, um die Nutzer*innen in Kontakt mit dem Hilfesystem zu bringen, sprich soziale Beratung und praktische Unterstützung anzubieten. Zu den inzwischen verbesserten Standards des WNP gehören praktische Hilfen wie Duschen, Versorgung mit frischer Kleidung, persönliche Schließfächer und feste Betten für Menschen, die dauerhaft das WNP nutzen.
Trotz des durchaus umfassenden Angebots ist das WNP immer wieder umstritten – zuletzt stand dabei in Zeiten von Corona die Unterbringung in Mehrbettzimmern statt in Einzelzimmern in der Kritik. Trotz überdurchschnittlich vieler Todesfälle unter Obdachlosen im Jahr 2021 mieden viele Obdachlose die großen WNP-Unterkünfte mit 250 bis zu 400 Betten, weil sie sich dort nicht sicher fühlen, weil es laut ist und die Menschen morgens wieder in die Kälte geschickt werden, oder weil sie ihren Hund nicht mitnehmen können. Unter den Corona-Bedingungen kam die Furcht vor Ansteckung hinzu. Man kann sagen, dass die Zivilgesellschaft auf diese Ängste schneller reagiert hat als die Stadt, denn schon im April 2020 entstanden erste sogenannte Hotelprojekte, die Obdachlose in leerstehenden Hotelzimmern untergebracht und begleitend betreut haben. Das war verbunden mit der Forderung an die Politik, auch das städtische WNP in die leerstehenden Hotels zu verlagern, um allen auf der Straße lebenden Obdachlosen eine sichere Unterkunft zu ermöglichen. In der Koalition haben wir diese Forderung aufgegriffen und den Senat nach längerer interner Diskussion im November 2021 per Bürgerschaftsantrag gebeten, weitere Möglichkeiten zur Einzelunterbringung während der Pandemie zu realisieren (Drs. 22/2311). Aus diesem Impuls entstand die zusätzliche WNP-Einzelunterbringung in der Eiffestraße mit über 60 Plätzen für Obdachlose, die stark begehrt waren.
Für das WNP 21/22 stehen erneut 1030 zusätzliche Übernachtungsplätze zur Verfügung. Neu ist das mit dem ehemaligen Hotel Plaza Inn in Moorfleet mehr WNP-Plätze in kleinen Zimmern angeboten werden können, die allein oder zu zweit belegt werden. Diesen besseren Standard in der Unterbringung wird die Sozialbehörde auch in Zukunft weiter ausbauen. Trotz der erfolgreichen Impfkampagne, die sehr viele Obdachlose erreicht hat, bleibt die Lage angespannt. Gut ist, dass die Markthalle am Klosterwall erneut als große zusätzliche Tagesaufenthaltsstätte zur Verfügung steht. Eine Tagesöffnung der WNP-Übernachtungsunterkünfte wird es weiterhin nur geben, wenn außergewöhnlich starke Kälte vorherrscht oder für einzelne Obdachlose, die sehr geschwächt sind. Dieser Punkt ist der Sozialbehörde vor allem deshalb wichtig, um den ohne Vorbedingungen zugänglichen Erfrierungsschutz des WNP von den normalen öffentlich-rechtlichen Wohnunterkünften abzugrenzen, für deren Nutzung ein Anspruch auf Sozialleistungen nötig ist.
Neben einem verbesserten Winternotprogramm ist mir politisch besonders wichtig den Fokus auf die Überwindung von Obdachlosigkeit zu legen. Dafür stehen z.B. das Modellprojekt Housing-First und die Realisierung der Pension für arbeitssuchende Zugewanderte, um die akuten Notlagen im Ansatz zu bekämpfen. Darüber hinaus gilt es, die positiven Erfahrungen aus der Einzelunterbringung in den „Hotelprojekten“ für die Weiterentwicklung des städtischen Winternotprogrammes zu nutzen und auch ansonsten die Qualität von Unterbringung und Beratung im Winternotprogramm immer wieder zu evaluieren, zu diskutieren und anzupassen. Dafür sind Rückmeldungen der Betroffenen, aber auch ihrer Berater*innen wichtig.
Kostenlose Schlafplätze im Hamburger Winternotprogramm 2021/22
https://www.hamburg.de/winternotprogramm-obdachlose/789920/winternotprogramm/#container-chapter-top
Wohin tagsüber? Die aktuellen Tagesaufenthaltsstätten für Obdachlose
https://www.hamburg.de/beratung-hilfen/2674330/tagestreffpunkte-obdachlose-hamburg/
Essen, Kleider, Medizin: Beratung und Hilfen für Obdachlose in Hamburg
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