27. September 2014

LMV-Rede: Generaldebatte zum Wahlprogramm

Bei der Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN Hamburg am 27. September 2014 habe ich basierend auf dieser Vorlage eine Rede in der Generaldebatte zum Wahlprogramm gehalten.

Liebe Freundinnen und Freunde,
ich möchte den Fokus mal auf ein etwas anderes Thema lenken.
Letzte Woche formierte sich ein Bündnis aus Erzieherinnen. Sie beklagen die katastrophalen Zustände in Hamburger Kitas. Sie sind überlastet und erschöpft, weil eine Erzieherin sich zu viele Kinder kümmern muss. Auch im Ländervergleich schneiden wir beim Betreuungsschlüssel nicht gut ab. Wir wollen gute Bildung in den Kitas, aber wie wollen wir dies erreichen, wenn wir in Hamburg gerade mal so eine halbwegs angemessene Betreuung sicher stellen können?
Die Hebammen streiten seit geraumer Zeit für eine bessere Entlohnung und die Lösung der Haftpflichtproblematik, wodurch die außerklinische Geburtshilfe in Gefahr gerät. Aber auch in den Kliniken sind die Hebammen unzufrieden mit ihrer Arbeit. Die Betreuung der Gebärenden beschränkt sich immer mehr auf das Ablesen von medizinischen Geräten, weil auch Hebammen immer mehrere Frauen gleichzeitig betreuen müssen. Ihr ganzheitlicher Anspruch in der Betreuung von Frauen rund um die Geburt eines Kindes gerät immer mehr ins Hintertreffen.
In der Pflege sprechen wir mittlerweile von einer Quasi-Taylorisierung in der ambulanten Versorgung, für soziale Pflege ist kaum Zeit. Einer neuer Pflegebegriff lässt auf sich warten. Gestresste Pflegerinnen, die immer mehr Aufgaben in immer weniger Zeit zu bewältigen haben – so geht das nicht weiter. Gerade hier haben wir heute schon einen akuten Fachkräftemangel, aber so wird der Beruf aber nicht attraktiver. In Anbetracht des demografischen Wandels steuern wir geradewegs auf einen Pflegenotstand zu.
Die Kürzungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit haben wir auch schon häufig kritisiert. Wir fordern zu Recht die Rücknahme, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrer wichtigen Arbeit in den Stadtteilen nachkommen können. Und wenn wir ehrlich sind und überlegen, was es wirklich braucht, dann benötigen wir eher einen Mittelaufwuchs und nicht nur eine Rücknahme der Kürzungen.
In den sogenannten Care- bzw. Fürsorgeberufen kriselt es gewaltig. Gesundheits- und Erziehungsberufe stehen unter enormen Druck.
Wir GRÜNE kritisieren viele dieser Probleme – auch im Wahlprogramm. Wir fordern eine auskömmliche Finanzierung, den Ausgleich von Tarifsteigerungen und den Erhalt einer vielfältigen Trägerlandschaft. Wir warnen vor der Altersarmut von Frauen und streiten u.a. deswegen für Entgeltgleichheit für gleiche und gleichwertige Arbeit.
Aber wenn wir den Punkt der gleichwertigen Arbeit ernst nehmen, bedeutet das, dass wir Erzieherinnen und Pflegerinnen, dass wir Hebammen und Sozialarbeiterinnen wesentlich mehr Lohn zahlen müssen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Wir brauchen mehr Personal und wir müssen besser entlohnen.
Wir haben aber nicht wirklich eine Idee, wie wir das finanzieren wollen. Wir sehen, wie sich der Staat unter dem Primat der Schuldenbremse immer weiter zurück zieht, kritisieren die Auswirkungen, haben aber keine Antwort, wie wir den Trend insgesamt umdrehen wollen. Auch haben wir noch keine schlüssigen Antworten, wie wir Sorgearbeit in unserer Gesellschaft – ob nun bezahlt oder unbezahlt in den Familien – gerecht verteilen und wertschätzen können.
Hier müssen wir ran. Im Wahlprogramm gibt es in den fachpolitischen Absätzen gute Ansätze, hier können und wollen wir anfangen. Wir müssen uns aber auch verstärkt den Fragen widmen, wie wir den Sozialstaat trotz Schuldenbremse ausreichend finanzieren und Sorgearbeit verteilen wollen um zukunftsfähige Antworten zu finden.