30. November 2015

Fachgespräch: Gewalt an geflüchteten Frauen und Mädchen – Erkenntnisse für einen besseren Opfer- und Gewaltschutz

Geflüchtete Frauen und Mädchen die in Hamburg ankommen haben einen schweren Weg hinter sich. Viele haben bereits in ihren Herkunftsländern Gewalt erlebt oder mussten auf der Flucht sexuelle Gewalt und Überfälle erleiden. Hier bei uns suchen sie Schutz. Doch auch die Situation in den Hamburger Großunterkünften ist für sie nicht einfach. Die Presse berichtete von Belästigungen, sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen und Mädchen, vor allem in den Zentralen Erstaufnahmen. Klar ist: wir müssen weibliche Geflüchtete hier besser vor Gewalt schützen. Aber welche speziellen Bedürfnisse und Bedarfe haben geflüchtete Frauen und Mädchen?   Wie kann man sie ausreichend und effektiv vor Gewalt  schützen und sie über ihre Rechte aufklären? Welche geeigneten Beratungsangebote gibt es in Hamburg bereits und wo besteht Handlungsbedarf?
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Bei unserem Fachgespräch haben wir Antworten auf genau diese Fragen gesucht. Unter der Moderation von Mareike Engels, frauen- und sozialpolitische Sprecherin der Grünen, diskutierte ein großes Fachpublikum am 16. November im Bürgersaal des Rathauses über die Situation von geflüchteten Frauen und Mädchen in Hamburg.

Als Referentinnen mit dabei waren

  • Angela Bähr , Fachbereichsleiterin Migrations- und Frauensozialarbeit in der Diakonie (http://www.diakonie-hamburg.de/de/visitenkarte/Angela-Baehr-Fachbereichsleitung-856905)
  • Tanja Chawla , wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HAW im Department soziale Arbeit (http://www.haw-hamburg.de/beschaeftigte/detailansicht/name/tanja-chawla.html)
  • Susanna Lange, Mitarbeiterin der Frauenhäuser (http://www.hamburgerfrauenhaeuser.de/index.php?id=2)
  • Nicole Wiencke , Leiterin der Wohnunterkunft Hinrichsenstraße bei fördern und wohnen (http://www.foerdernundwohnen.de/)
  • sowie Regine Vogl, Leiterin der Berliner Flüchtlingsberatungsstelle Refugium (http://www.evangelisches-johannesstift.de/paul-gerhardt-stift/arbeitsfelder/refugium)

Auch im Publikum sammelte sich eine große Fachexpertise: Berater_innen aus der Migrations- und Frauensozialarbeit, Spezialist_innen aus den Fachbehörden, Trauma-Therapeut_innen und Bezirkspolitiker_innen brachten eine große Bandbreite an Perspektiven ein. Dabei wurde eines deutlich: Wir wollen Hamburgs starkes Netzwerk im Bereich des Gewalt- und Opferschutzes nutzen, um auch geflüchteten Frauen und Mädchen hier Sicherheit und Schutz bieten zu können. Dabei ist ein Ausbau der Beratung ebenso wichtig, wie akute Maßnahmen zur Gewaltprävention. Mitnehmen konnten wir drei zentrale Erkenntnisse:
Die Unterbringungssituation kann schon durch kleine Optimierungen verbessert werden!
Bei der Unterbringung, da waren sich die Podiumsteilnehmerinnen einig, helfen zum Teil schon kleine Maßnahmen wie Rückzugsmöglichkeiten und Beleuchtung, um die Lebenssituation der einzelnen Frauen zu verbessern und das Risiko für Übergriffe zu minimieren. Trotz der Ausnahmesituation dürfe der „Notfallmodus“ nicht zum Dauerzustand werden. Die Referentinnen betonten Mindest- und Qualitätsstandards in den Unterkünften. Gleichzeitig, so Nicole Wiencke, gelte es traumatisierte wohnungslose Frauen nicht zu vergessen.
Der Zugang geflüchteter Frauen zum Hamburger Beratungsangebot muss erleichtert werden!
Angela Bähr betonte das große und vielfältige Hamburger Beratungsnetzwerk für Frauen. Perspektivisch sei es nun wichtig, eine verstärkte interkulturelle Öffnung zu forcieren. Für geflüchtete Frauen seien gerade ein niedrigschwelliges Angebot und die Information der Frauen über ihre Rechte wichtig, das betonten auch Tanja Chawla und Susanna Lange. Die Integration in Bildung und Berufsausbildung spiele eine wichtige Rolle: Es gelte, so resümierte Nicole Wiencke, „Brücken“ zwischen den Frauen und der Zivilgesellschaft zu bauen. Dann könnten die Frauen auch besser über ihre Rechte und Beratungsangebote informiert werden.
Die Öffentliche Unterbringung braucht ein Gewaltschutzkonzept!
Auch hier gab es große Einigkeit: Mindeststandards für die Öffentliche Unterbringung, die den Schutz der Frauen ermöglichen müssen konkret benannt und festgelegt werden. Dabei müsse das Handeln, so forderte Angela Bähr, unbedingt präventiv sein. Konzepte und Leitfäden von internationalen Organisationen und Wohlfahrtsverbänden, wie dem Paritätischen, geben hierfür bereits den Rahmen vor. Aufgabe und Verantwortung der Politik sei es nun, so Regine Vogl, Ressourcen zu mobilisieren und Standards in der Unterbringung zu etablieren.
Wie hoch der Gesprächs- und Vernetzungsbedarf der Akteur_innen ist, wurde im Anschluss an das Fachgespräch deutlich. Viele nutzten das Angebot zum anschließenden Austausch, um ins Gespräch zu kommen, Adressen und Fachwissen auszutauschen. Für uns hat das Gespräch noch einmal die Notwendigkeit gezeigt, die Situation von geflüchteten Frauen und Mädchen, insbesondere in den Zentralen Erstaufnahmen, in Hamburg und deutschlandweit stärker in den Fokus zu rücken, sichtbarer zu machen und dadurch nachhaltig zu verbessern. Wir dürfen jedoch auch nicht verkennen, was wir in unserer Stadt bereits an großartigen Initiativen, Beratungsstellen, Sozialarbeiter_innen und Ehrenamtlichen haben. Unser Berliner Gast Regine Vogl stellte fest: Hamburg sei viel weiter als Berlin! Aber auch wir haben auch noch ganz viel Potenzial, was die Vernetzung und die Bündelung der vorhandenen Fachexpertise angeht. Dieses gilt es weiter zu fördern, zu nutzen und es an die Frau zu bringen!