1. Mai 2015

Care-Arbeit ist Arbeit – Den Mai zum Monat der unsichtbaren Arbeit machen!

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem grün-feministischen Gemeinschaftsblog Grün ist lila erschienen.
Die zeitlichen und finanziellen Herausforderungen von Care-Arbeit – also von unbezahlter und bezahlter Sorgearbeit – sind gerade in aller Munde. Die Kita-Erzieherinnen streiken für einen fairen Lohn, die GRÜNEN diskutieren über Zeitpolitik und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Hebammen ächzen unter den finanziellen Lasten der steigenden Haftpflicht-Prämien und die Pflegekräfte stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Es wird Zeit, dass Care-Arbeit in unserer Gesellschaft einen anderen Stellenwert erhält, wir sie besser anerkennen und gerecht verteilen. Der Mai ist ein guter Monat, um darauf aufmerksam zu machen.
Los geht es am 1. Mai – DEM Tag der Arbeit. Die Gewerkschaften des DGB rufen in vielen Städten zu den traditionellen 1. Mai Demonstrationen auf. Es wird für mehr Lohn und bessere Arbeit gestritten und an die Arbeitskämpfe der vergangenen gut 150 Jahre erinnert. Alles in allem eine sehr männliche Veranstaltung – wenn auch die Frauenbewegung ihre Ursprünge in der Arbeiterinnenbewegung hat und einige engagierte Gewerkschafterinnen darauf auf beständig hinweisen. Nun ruft das Netzwerk Care-Revolution an verschiedenen Orten, z.B. in Hamburg unter dem Motto „Unsichtbare Arbeit – Do you care?“ zur Teilnahme an den 1. Mai Demonstrationen auf und erklärt den 1. Mai (auch) zum Tag der unsichtbaren Arbeit:

„Der 1. Mai ist der „Tag der Arbeit“. Manche Arbeit findet allerdings mehr Beachtung als andere. Care- und Reproduktions-Arbeiten, also z.B. Arbeiten in Haushalt, Gesundheit, Pflege, Assistenz, Erziehung, Bildung, Wohnen und Sexarbeit bleiben oftmals unsichtbar – im Alltag, aber auch im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. Daher ist für uns der 1. Mai auch der „Tag der unsichtbaren Arbeit“!“

(Hier geht es zum gesamten Aufruf.)
Das Netzwerk möchte Care-Arbeit aus der Unsichtbarkeit, Vereinzelung, Ausbeutung, Erschöpfung und schlechten Bezahlung raus holen, diese sowohl finanziell aber auch ideell besser anerkennen und setzt sich insgesamt für eine bedürfnisorientiere Care-Ökonomie ein.
Nächste Woche Dienstag geht es dann direkt mit dem Internationalen Hebammentag weiter. Seit Jahren kämpfen diese um die Existenz ihres Berufstandes. Eine endgültige und nachhaltige Lösung für die steigenden Haftpflichtprämien wurde immer noch nicht gefunden. Aktuell droht die freie Wahl des Geburtsorts durch strengere Richtlinien für Hausgeburten noch weiter eingeschränkt zu werden. Dadurch rücken die seit Jahren wichtigen Fragen nach einer guten flächendeckenden Versorgung und einer besseren Vergütung der Hebammen immer wieder in den Hintergrund. Doch an vielen Orten finden Schwangere schon jetzt keine Hebamme mehr. Dies zeigt eindrücklich die Landkarte der Unterversorgung (wo auch neue Fälle online gemeldet werden können).
Am 12. Mai haben wir dann den Tag der Pflege. Pflegekräfte, die ihre Arbeit im Akkord verrichten müssen; pflegende Angehörige, die die Belastung psychisch und körperlich kaum noch aushalten; Migrantinnen, die ausbeuterisch angestellt werden, um notdürftig Care-Lücken zu schließen – all dies gehört zum deutschen Pflegenotstand. Seit Jahren finden in vielen deutschen Städten sogenannte „Pflege am Boden“-Flashmobs statt, am 12. Mai wird nun in zahlreichen Städten zu Demonstrationen für bessere Pflege und Bedingungen in der Pflegearbeit aufgerufen.
Den gesamten Mai über werden Eltern und Kinder durch den angekündigten Streik der Kita-Erzieher_innen auf Trab gehalten. Dies stellt Eltern natürlich vor individuelle Care-Probleme bei der Kinderbetreuung. Wichtig ist aber, nicht aus dem Blick zu verlieren, dass Erzieherinnen mehr verdienen sollten. Wer unsere Kinder betreut, braucht einen fairen Lohn. Die Miete und der Lebensunterhalt zahlen sich nicht von alleine. Und deswegen sollten wir auch hier solidarisch sein!
Bei den GRÜNEN diskutieren wir wiederum im Rahmen des Programmprozesses zur Bundestagswahl über Zeitpolitik. Wir stellen fest, der zeitliche Anteil an Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft nimmt zu – wenn auch ungleich verteilt. Care-Arbeit nimmt aber nicht ab und kann auch kaum weniger werden. Gerade die Frauen übernehmen nach wie vor den Großteil der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen. Auch Haushalt und soziale Beziehungen erfordern zeitlichen Aufwand. Hier bedarf es einer Neuverteilung von Zeit und wir grüne Feministinnen machen in dem Kontext immer wieder deutlich: Dies wird nur gelingen, wenn wir Erwerbsarbeit und unbezahlte Care-Arbeit gerechter zwischen den Geschlechtern und im Lebensverlauf verteilen.
Insgesamt wird deutlich: Im Bereich der Care-Arbeit zwickt und zwackt es an allen Enden. So wie wir als Gesellschaft Care-Arbeit bisher organisieren und anerkennen, geht es nicht weiter. Immer weniger Frauen haben die Zeit, die Lust oder die finanzielle Absicherung, viele dieser Arbeiten unbezahlt zu übernehmen. Und auch die Frauen und wenigen Männer, die bezahlter Care-Arbeit nachgehen, können sich diese Berufe immer seltener leisten. Hinzu kommen die Probleme durch Personalmangel und Vereinzelung. Das Netzwerk Care-Revolution fordert, wie es im Namen steht, eine Revolution in diesem Bereich. Mit kleinen Verbesserungen werden wir insgesamt nicht weiter kommen und die Care-Krise lösen. Ich meine: Das Nachdenken über umfassendere Alternativen lohnt sich – und wenn es nur hilft, die richtigen Reformschritte einzuleiten! In diesem Sinne: Lasst uns an die Arbeit machen – es gibt viel zu tun.