9. Januar 2014

Anmerkungen zum neuen Gleichstellungsgesetz (Entwurf) in Hamburg

Insgesamt ist gut, dass es ein neues Gleichstellungsgesetz geben soll, in dem einige veraltete Regelungen erneuert werden und andere erstmalig geregelt werden. So ist es als positiv anzumerken, dass das Gesetz auch bei öffentlichen Unternehmen Anwendung finden soll und eine_n Gleichstellungsbeauftragte_n für jede Dienststelle vorschreibt. Der Gesetzesentwurf für das neue Gleichstellungsgesetz in Hamburg hat allerdings gleichermaßen Frauen und Männer als Zielgruppe, auch wenn in der Begründung darauf hingewiesen wird, dass wahrscheinlich in der Praxis Frauen nach wie vor verstärkt Adressatinnen sind. Der Grundsatz, dass das Gleichstellungsgesetz für Frauen und Männer da ist, hat aber zwei zentrale falsche Folgen und zwar sieht es Geschlechter- und nicht Frauenquoten vor und erlaubt männliche Gleichstellungsbeauftragte. Des Weiteren lässt es insgesamt eine feministische Problemanalyse außen vor.
Müssen Männer gleichgestellt werden? Nein.
Die berufliche Segregation der Geschlechter ist eine Folge von Machtstrukturen und Rollenbildern, die Frauen benachteiligen. Die mangelnde Gleichstellung von Männern (Begründung HmbGleiG, S. 5) ist hier nicht das Problem, denn Männer werden strukturell nicht diskriminiert, sie müssen nicht gleichgestellt werden, was die Verteilung von Macht und Ressourcen angeht. Ein Aufwertung von typischen Frauenberufen, also die Gleichstellung von Frauen(berufen) sollte hier die Antwort sein – gerne begleitet von Maßnahmen, die zur Auflösung der starren Rollen- und Berufsbilder beitragen wie z.B. die Erzieher-Werbekampagne, genauso wie Anreize, die zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in Paarbeziehungen (insbesondere mit Kindern) führen. Hier nennt die Begründung die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ich würde ergänzen: Klarere und weitgehendere Regelungen zur gemeinschaftlichen Aufteilung der Elternzeit, Abschaffung des Ehegattensplittings etc. Außerdem: bessere Arbeitszeitregelungen, aber dazu später mehr.
Auch wenn anerkannt wird, dass meistens Frauen Adressatinnen von Gleichstellungspolitik sind und sein werden, gibt es im Entwurf ganz klar den Auftrag zur Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts. Dies verkennt aber, dass Männer meistens dann unterrepräsentiert sind, wenn es sich um typische Frauenberufe oder untere Hierarchiestufen handelt. Es ist aber mitnichten so, dass Männer hier diskriminiert und ausgegrenzt werden, im Gegenteil, dass es typische Frauenberufe gibt, ist eine Auswirkung gesamtgesellschaftlicher patriarchaler Strukturen. Es ist die falsche Antwort jetzt auch noch Männer „bei gleicher Qualifikation“ zu bevorzugen und damit den Frauen auch noch diese Jobs streitig zu machen, auch wenn grundsätzlich die Überwindung der Segregation der Berufe ein wichtiges Ziel ist.
Geschlechter- vs. Frauenquoten
Feministische Gleichstellungspolitik hat eine gleichere und damit gerechtere Verteilung von Macht und Ressourcen als Ziel – in der Wirtschaft, in der Politik, aber auch in der Familie. Daher sind Fragen nach Zugang zum Arbeitsmarkt, Aufstieg und Führungspositionen zentrale Themen. Deswegen setzen wir uns für Regelungen ein, die Frauen (bei gleicher Qualifikation) bevorzugen, sowie für Frauenquoten in Führungspositionen. Wir sollten uns aber nicht für (Geschlechter-) Quoten in allen Dienststellen einsetzen.
Der Gesetzesentwurf beinhaltet keine 50% Frauenquote für Führungspositionen, sondern lediglich das Streben nach der Repräsentanz beider Geschlechter (verharren in der Zweigeschlechtlichkeit!) zu jeweils mindestens 40%. Das Argument, dass für kleine Diensteinheiten ein exakt ausgeglichene Repräsentanz zufallsbedingt schwierig sein kann, teile ich, Personalsteuerung im öffentlichen Dienst wird aber meist an zentraler Stelle in der Behörde übernommen, Unterrepräsentanz an einer Stelle könnte also durch Überrepräsentanz an anderer Stelle ausgeglichen werden (so lange immer min. 40% Frauenquote eingehalten wird). Unabhängig davon sind Frauenquoten sinnvoller als Geschlechterquoten, weil es darum geht dem strukturell unterrepräsentierten Geschlecht Mindestrechte einzuräumen. Außerdem gilt das Interesse den machtvollen Positionen, eine Ausgeglichenheit der Geschlechter in der Müllabfuhr wäre natürlich auch nett, aber wichtig ist die Ausgeglichenheit dort, wo Entscheidungen getroffen werden, also in Führungspositionen. Sollen nun Männer bei der Vergabe von Leitungsfunktionen bevorzugt werden, wenn sie unterrepräsentiert sind? Dies ist zwar selten der Fall, das würde aber in der Praxis einerseits wahrscheinlich dazu führen, dass noch weniger Frauen insgesamt Führungspositionen übernehmen, wenn angefangen wird teilweise Männer nicht nur informell, sondern auch ganz legal und gewollt zu bevorzugen. Des Weiteren sollte es das langfristige Ziel sein, dass Geschlecht keine Rolle mehr spielt, auf dem Weg dahin müssen Frauen mehr Macht bekommen und Männer Macht abgegeben, eine strikte Aufteilung unserer Gesellschaft in zwei Geschlechter sollte dadurch überwunden werden und nicht weiter zementiert werden, daher sind Frauenquoten der Weg zum Ziel, Geschlechterquoten bestärken die Zweigeschlechtlichkeit. Außerdem bin ich der Meinung, dass dem öffentlichen Dienst eine 50%-plus Frauenquote in Führungspositionen gut zu Gesicht stehen würde um die Benachteiligung von Frauen gesamtgesellschaftlich auszugleichen.
Männliche Gleichstellungsbeauftragte
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass auch Männer Gleichstellungsbeauftragte werden können (§ 18), das lehne ich ab. Gleichstellungsbeauftragte müssen Ansprechpartnerinnen sein für Frauen und auch gerne für Männer, die an ihrem Arbeitsplatz Probleme mit der Gleichstellung haben und Unterstützung brauchen. Hierfür ist ein vertrauensvolles Verhältnis mit möglichst wenig Machthierarchien wichtig.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf (§ 12, 13, 14)
Temporäre Teilzeit oder Arbeitszeitreduktion sind ein wichtiges Element für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dürfen auf Dauer aber kein Hindernis zum beruflichen Fortkommen darstellen. Daher sollte es ein Rückkehrrecht auf Vollzeit gewährleistet werden, bei unbefristeter Teilzeitbeschäftigung wäre eine Fristenlösung denkbar, so dass z. B. die Rückkehr auf Vollzeit innerhalb eines halben oder ganzen Jahres sichergestellt werden muss.
Geschlechtersensible Sprache (§ 11)
Die Verpflichtung zu einer geschlechtersensiblen Sprache ist begrüßenswert, die Anwendung sollte aber auf die gesamte Kommunikation der öffentlichen Hand ausgedehnt werden. Außerdem sollten auch Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle sprachlich repräsentiert werden.