10. August 2015

Die Hälfte der Macht den Frauen: Hamburg stellt Weichen

Im vergangenen Jahr ist Hamburg der Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene beigetreten. Bei dem Beitritt allein wird es aber nicht bleiben: Die Charta beinhaltet viele Aufträge an die lokale Politik. Es geht also nicht um symbolische Handlungen oder Absichtsbekundungen, sondern um die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen. Ein wesentlicher Baustein ist dabei der Gleichstellungs-Aktionsplan, den jedes Mitglied der Charta entwickeln und umsetzen muss.
Die Weichen für so einen Aktionsplan hat Hamburg bereits 2013 mit seinem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm gestellt. Dieses Programm will die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung nun konsequent weiterentwickeln – so hat es Rot-Grün im Koalitionsvertrag vereinbart und der Senat noch einmal in einer Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage bestätigt. Hierzu heißt es konkret: „Es ist vorgesehen, das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm bis Ende 2016 zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Der Senat hat sich damit zum Ziel gesetzt, die Hamburger Gleichstellungsarbeit zu verstetigen, nachhaltig abzusichern und weiterzuentwickeln.“

Dies begrüße ich als Frauen- und Gleichstellungspolitische Sprecherin der GRÜNEN Bürgerschaftsfraktion sehr. Jetzt gilt es in der Weiterentwicklung des Programms wichtige Akzente zu setzen.
Wir GRÜNE setzen uns schon seit jeher für die Hälfte der Macht den Frauen ein. Doch ob in Politik und Wirtschaft, ob beim Verdienst oder der Familienarbeit – von tatsächlicher Gleichstellung sind wir leider noch in vielen Bereichen weit entfernt. Bei der Weiterentwicklung des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms werden wir GRÜNE deshalb großen Wert darauf legen, alle relevanten Akteurinnen und Akteure gut einzubinden. Nur so können wir die Probleme ganzheitlich in den Blick bekommen und gemeinsame Handlungsstrategien entwickeln.
Besonders im dritten Teil der Charta gibt es einige Handlungsfelder, in denen meiner Meinung nach noch einiges zu tun ist. Zum Beispiel steht in Artikel 2, Absatz 4 sehr detailliert, dass die Stadt alle geeigneten Maßnahmen treffen muss, um eine tatsächliche gleiche und ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern sicher zu stellen. Ich bin der Meinung, dass hier das Gremienbesetzungsgesetz nicht ausreicht. Vor allem der geringe Frauenanteil von weniger als 40 Prozent in der Hamburgischen Bürgerschaft – der sogar nach der Wahl im Februar wieder gesunken ist – gibt hier zu denken. Deswegen möchte ich gerne in dieser Wahlperiode die Diskussion darüber führen, ob ein Parité-Gesetz – also eine Art Frauenquote für Parlamente – ein geeigneter Weg ist, damit Frauen die Hälfte der Macht erhalten.
Aber es geht nicht nur um Politik und Parlamente. Ein weiteres großes Problem bei der Gleichberechtigung ist der Zugang zu Wohnraum (Teil 3, Artikel 19) – gerade mit Blick auf die hohen Mieten und die begrenzte Anzahl an Sozialwohnungen. Wenn wir uns ins Bewusstsein rufen, dass Frauen häufiger alleinerziehend und von Altersarmut betroffen sind, können wir uns sehr schnell denken, dass es diese Gruppe auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer hat. Frauen sind zwar weniger von Obdachlosigkeit, dafür aber häufiger von versteckter Wohnungslosigkeit betroffen – häufig indem sie sich (kurzzeitig) von einem Mann abhängig machen. Aber auch der geringere Lohn von Frauen in allen sozialen Schichten führt häufig dazu, dass die Sicherung der Wohnung nicht zu gleichen Anteilen über das eigene Einkommen gewährleistet ist. Equal Pay hat wie wir sehen vielfältige Auswirkungen!
Auch die gleiche Beteiligung an Kultur und Sport, die Bekämpfung von Gewalt und Menschenhandel sowie die ausgewogene Berücksichtigung vielfältiger Interessen in städtischen Planungsprozessen werden mir ganz persönlich wichtige Anliegen sein. Denn auch wenn wir als Gesellschaft und als Stadt schon viel erreicht haben, von der Hälfte der Macht den Frauen sind wir in vielen Bereichen immer noch weit entfernt. Daher ist es umso wichtiger, die von Europa gesetzten Leitlinien auf lokaler Ebene konsequent zu verfolgen. Mit dem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm ist Hamburg hier auf dem richtigen Weg und ich werde mich dafür einsetzen, dass der Beitritt zur Europäischen Gleichstellungscharta kein symbolischer Akt bleibt, sondern als Chance genutzt wird, um die tatsächliche Situation von Frauen in unserer Stadt zu verbessern.