8. Juli 2015

Rede: Reform des SGB II – verschärfte U25 Sanktionen abschaffen! (8. Juli 2015)



Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
In Hamburg lebt jeder zehnte Bürger von Hartz IV. Das bedeutet, er oder sie lebt von 399 Euro im Monat. Teilhabe am sozialen Leben unserer Gesellschaft ist für uns GRÜNE elementar wichtig. Dieses soziokulturelle Minimum darf daher nicht beschnitten werden.
Wir GRÜNE wenden uns unter anderem deswegen gegen die aktuelle Sanktionspraxis und setzen uns im Bundestag für ein Moratorium ein, um den aktuellen Umgang mit Sanktionen in Deutschland neu auszurichten. Bei den Sanktionen muss es darum gehen, die Rechte und Pflichten der Leistungsberechtigten auf der einen Seite und die Rechte und Pflichten des Staates auf der anderen Seite in ein faires Verhältnis zueinander zu setzen. Dies ist aber bei den derzeitigen Sanktionsregelungen nicht der Fall. Arbeitsuchenden können die Leistungen massiv gekürzt werden, bei unter 25-Jährigen können sogar Leistungen für ihre Wohnungen gestrichen werden. Hartz-IV-Empfängerinnen und –Empfänger leben in unserer Gesellschaft meist in Armut und leiden unter sozialer Ausgrenzung. Dies wird verstärkt, wenn sie von Sanktionen betroffen sind.
Über die Wirkungen von Sanktionen wird sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik kritisch diskutiert. Die Androhungen von Sanktionen sollen im Sinne des SGB II positive Effekte haben. Es gibt aber auch schwerwiegende negative Effekte, die es beständig zu überprüfen gilt. So kommt es bei den Betroffenen zu einer Zunahme von Wohnungslosigkeit, Verschuldung und schlechter Ernährung. Es droht zudem jeweils eine weitere soziale Ausgrenzung. Sanktionen erschweren die Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Leistungsempfängerinnen und -empfängern, und es besteht die Gefahr, dass der Kontakt zwischen Jobcenter und den Klientinnen und Klienten komplett verloren geht. Erst kürzlich hat das Sozialgericht Gotha beschlossen, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, sodass dieses nun gefragt ist, über die grundsätzliche Zulässigkeit von Sanktionen zu entscheiden.
Sanktionen stehen also immer wieder im Mittelpunkt der politischen Debatte und werden kritisch und von verschiedenen Seiten heiß diskutiert – so auch heute mit unserem Antrag.
Besonders hart von Sanktionen betroffen sind die unter 25-Jährigen. Sie werden einerseits häufiger sanktioniert als Ältere, andererseits treffen sie schärfere Sanktionen. Diese können bereits verhängt werden, wenn es zu geringfügigen Regelverletzungen kommt. Anders als den Älteren droht den Jungen im Zweifelsfall die Streichung der kompletten Leistungen, also auch die Erstattung der Kosten für ihre Wohnung. Das ist hochgradig unfair.
So rutschen Jugendliche schneller in die Wohnungslosigkeit, und erste Forschungsergebnisse zeigen, dass einige junge Erwachsene, die von Komplettsanktionen betroffen sind, zu diesem Zeitpunkt in eine kriminelle Karriere abrutschen. Ohne Alternative, ohne finanzielle Mittel ist das für viele scheinbar der einzige Weg, in dieser Situation die eigene Existenz zu retten. Diese verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige gehen daher entschieden zu weit, denn auch Jugendliche dürfen nicht von elementaren Leistungen ausgeschlossen werden. Auch dürfen sie nicht qua ihres Alters diskriminiert werden. Es ist Zeit, diese verschärften Sanktionen abzuschaffen.
Gerade junge Menschen, die noch am Anfang ihres beruflichen Wegs stehen, haben in unserer Gesellschaft eine Chance verdient und im Zweifel auch mehr als eine. Wir sollten unsere Energie auf gute Unterstützungsleistungen richten und junge Menschen auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt gut begleiten. Dazu bedarf es spezieller Angebote anstelle härterer Sanktionen. Hamburg geht hier mit der Jugendberufsagentur bereits mit gutem Beispiel voran. Es zeigt sich, dass Motivation und Unterstützung weitaus bessere und vor allem auch langfristigere Wirkung haben als einfache Bestrafung. Hier sollten wir weiter ansetzen und Jugendlichen die Chancen geben, die sie benötigen.
Die Angleichung der Sanktionen von unter und über 25-Jährigen war ein Ergebnis einer Bund- Länder-Arbeitsgruppe zu sogenannten Rechtsvereinfachungen im SGB II. In der Arbeitsgruppe wurde ein ganzer Katalog an Maßnahmen erarbeitet, die zu Vereinfachungen in der Praxis führen sollen. Momentan tut sich aber nichts. Eigentlich wollte die Bundesregierung längst einen Gesetzesvorschlag vorlegen, doch dem Vernehmen nach blockiert die CSU die Reformen, gerade weil die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige abgeschafft werden sollen.
Mit unserem Antrag wollen wir also noch einmal Druck machen, die Reformen endlich anzupacken und so für eine fairere Sanktionspraxis zu sorgen.
Es gibt aber auch Vorschläge der Arbeitsgruppe, die wir nicht unterstützen. Ein Punkt betrifft getrennt lebende Eltern mit Kindern. Hier sollen die sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaften abgeschafft werden. Dann würde nur noch der Elternteil die Grundsicherung für das Kind erhalten, bei dem dieses seinen Hauptwohnsitz hat. Für die Verwaltung wäre dies sicherlich eine Vereinfachung. Die betroffenen Eltern sollen dann aber untereinander regeln, wie sie den Unterhalt finanziell ausgleichen. Zudem würde ihnen unterm Strich weniger zur Verfügung stehen. Dies bedeutet viel Streit in den meist ohnehin schon belasteten Beziehungen und eine Schlechterstellung von Alleinerziehenden.
Uns ist es ein wichtiges Anliegen, dass Kinder guten Kontakt zu beiden Elternteilen haben, auch wenn diese getrennt leben. Dies muss auch weiterhin finanziell abgesichert werden, ohne dass sich die Eltern darüber streiten müssen. Daher halten wir diesen Reformvorschlag für gefährlich. Alleinerziehende sind eh schon von Armut betroffen oder bedroht. Sie dürfen nicht noch weiter belastet werden, im Gegenteil, sie haben unsere Unterstützung verdient.
Halten wir also fest: Mit diesem Antrag wollen wir in Berlin Druck machen. Wir wollen, dass sich der Senat auf Bundesebene für eine fairere Ausgestaltung der Situation starkmacht. Und wir wollen, dass die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige endlich abgeschafft werden.
Klar, diese Reformen sind nicht der ganz große Wurf, aber sie versprechen Verbesserung für die Betroffenen, und deswegen lohnt es sich, sich hierfür einzusetzen. Danke sehr.